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Nachhaltigkeit von Veranstaltungen – Indikatorensysteme, Modelle und Lösungen //

Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche ist ein Oxymoron. Fliegende Bauten werden für ein kurzes Erleben mit großem Aufwand geplant und umgesetzt, Szenenbilder werden einmal abgespielt schnell entsorgt und die Verbrauchsspitzen in Stadien und großen Versammlungsstätten müssen den Vergleich mit dem durchschnittlichen Energiebedarf mehrerer Reihenhaussiedlungen zwischen Flensburg und Freiburg nicht scheuen.

Nachhaltige Veranstaltung

Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein Verbundbegriff, der unterschiedliche Fachdiskurse mit ihren jeweiligen speziellen Ansätzen und Methoden zusammen führt. Er dient der Verständigung, der Vernetzung und der Orientierung (Kahl 2008, S. 1ff.). Ulrich Grober erklärt den bemerkenswerten Erfolg des wenig attraktiven Kompositum aus „nach“ und „haltig“ durch sein Doppelleben zum einen als politischer Begriff und zum anderen als allgemeiner Sprachgebrauch mit der Wortbedeutung nachdrücklich, dauerhaft oder intensiv (Grober 2010, S. 17). Der Begriff der Nachhaltigkeit durchdringt heute jeden möglichen Lebensbereich: Strukturen, Verwaltungen, Entscheidungen, ein gesellschaftspolitischer Meinungsbildungsprozess oder das Handeln im Alltag werden auf ihre Nachhaltigkeit überprüft. Es lässt sich kaum ein Produkt oder eine Dienstleistung finden, dass nicht unter dem weit auskragenden Dach der Nachhaltigkeit entwickelt, vermarktet, diskutiert wird. Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Da sind sich bei allen Unterschieden in der Schwerpunktsetzung und Betitelung – Blue Economy, Smart City, Urban Gardening, Neo-Ökologie, Corporate Social Responsibility, Green Revolution, Energiewandel, Climate Change – alle Autoren einig. So regelmäßig der Begriff der Nachhaltigkeit in ganz unterschiedlichen Kontexten verwandt wird, so häufig ist er Anlass für Missverständnisse und folgt lediglich einem indifferent, allgemeinen Wortgebrauch ohne weitere Differenzierung.
Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche erscheint als Oxymoron

Fliegende Bauten werden für ein kurzes Erlebnis mit großem Aufwand geplant und umgesetzt. Aufwändige Messestände werden selten mehr als einmal genutzt und die Verbrauchsspitzen in Stadien und großen Versammlungsstätten müssen den Vergleich mit dem durchschnittlichen Energiebedarf mehrerer Reihenhaussiedlungen nicht scheuen. Wenn trotzdem Nachhaltigkeit auch in der Veranstaltungsbranche zunehmend in den Fokus rückt, dann hat das nicht nur mit den globalen Marketing Trends zu tun, sondern auch mit einer zunehmenden Sensibilisierung der Kunden und Dienstleister.

Die im Jahr 2013 veröffentlichte Studie „Tagung und Kongress der Zukunft“ des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) im Auftrag des GCB German Convention Bureau e.V. zeigt, inwieweit nachhaltige Entwicklung auch für die Veranstaltungsbranche zu einem immer wichtiger werden den Qualitätsmerkmal wird. Nachhaltigkeit gilt in der Expertenbefragung nach Demografie, Technologie und Globalisierung als wichtiger Megatrend, der sehr stark bis stark die zukünftige Tagungs- und Kongressbranche beeinflusst und herausfordern wird (GCB 2013, S. 16).

Wall und Behr (2010) identifizieren derzeit vier nachhaltigkeitsbezogene Themenfelder in der Literatur zu Event- bzw. Veranstaltungsmanagement:

1. Die physisch-funktionalen Herausforderungen in der Veranstaltungsorganisation und somit die unmittelbaren Ansatzpunkte zur Berücksichtigung der ökologischen Dimension  der Eventproduktion. Dabei werden Einzelfaktoren wie die Verringerung der Belastungen durch Lärmemission bei Open Air Konzerten oder Abfallmanagement bei Straßenfesten genauso berücksichtigt, wie integrierte Managementkonzepte die wie bei Lucas und Gross (2007) Qualitäts- und Umweltaspekte verbinden.
2. Die Berücksichtigung von Stakeholderinteressen zur Legitimierung von Veranstaltungen bildet den Schwerpunkt der Veröffentlichungen aus den Bereichen Sporttourismus. Dies begründet nicht nur einen wichtigen Fokus bei sportlichen Großveranstaltungen wie z.B. bei der Vorbereitung und Planung der Olympiade 2012 in London, sondern geht auch in Indikatoren-Modelle ein wie bei dem DIT-ACHIEV Modell von Griffin (2009).
3. Events als Träger sozio-ökonomischer und sozio-kultureller Entwicklung sowie der Kommunalentwicklung bildet die wesentliche Betrachtungsperspektive für Events als Instrumente des Standortmarkerings bzw. der Standortentwicklung ob aus regionaler (Kiez- oder Stadteilperspektive) Perspektive oder aus Überlegungen eines internationalen Wettbewerbs heraus wie bei der Konkurrenz um die globale Standortfrage der Creative Industries. Events wirken hier als Distinktionsmerkmale im internationalen Wettbewerb (Foley, McGillivray und McPherson 2009, S. 14f.). Dabei ist die Art des Eventprodukts nur abhängig von den spezifischen, regionalen Bedingungen und kann die globale Vermarktung traditioneller Brauchtumsfeste wie das Festival San Fermin in Pamplona mit den Auswirkungen für regionale Wirtschaft und sozialem Gefüge ebenso beinhalten, wie die Folgen eines wachsenden Kulturtourismus auf die lokale Infrastruktur der Destinationen z.B. in Italien.
4. Das Themenfeld einer programmatischen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit Themen nachhaltiger Entwicklung umfasst nicht allein eine Entwicklungsperspektive wie die Themenfelder eins bis drei, sondern berücksichtigt zusätzlich inwieweit die Veranstaltungen selbst, eine erzieherische Funktion aufweisen. Im Maßnahmenkatalog des Green Meeting Industry Council wird z.B. die Formulierung eines Environmental Statements, das an alle Stakeholder, Lieferanten wie Teilnehmer kommuniziert werden soll, als ein integraler Bestandteil der nachhaltigen Veranstaltungsplanung betrachtet (Reiser und Scherle 2014, S. 320).

In dieser Vielfalt der Themenfelder spiegeln sich die unterschiedlichen Disziplinen wider, wie Eventmarketing, Kulturwissenschaften, Projektmanagement, Tourismus- oder Sportmanagement, die Ansätze dafür bieten, Fragen des Veranstaltungsmanagements zu  beantworten. Je nach Disziplin können die Antworten dabei sehr verschieden ausfallen. Während aus touristischer Perspektive die regionalen kulturellen oder ökonomischen Entwicklungen im Vordergrund stehen, wird unter Einbeziehung des Projektmanagements die Lösung einzelner Faktoren wie der Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur die relevante Größe für eine nachhaltige Entwicklung darstellen. So lässt sich die Literatur zum Thema auch dadurch unterscheiden welcher Fokus genauer betrachtet wird: Einzelne Veranstaltungsarten, Managementansätze und Indikatorenmodelle, Event-Tourismus, MICE Industry oder Sport-Veranstaltungen.

Aktuelle Diskussion
Nachhaltigkeit ist mittlerweile auch in der Veranstaltungsbranche ein Teil des Mainstreams (Pofeldt 2011). Maßnahmen für eine nachhaltigere Veranstaltung haben sich im Großen (Olympiade London 2012) wie im Kleinen (Veganer Imbiss auf Straßen- und Bürgerfesten) durchgesetzt. Es besteht damit nicht mehr die Frage, ob eine Veranstaltung nachhaltig sein soll, sondern in welchem Maße und in welcher Form eine nachhaltige Veranstaltung ausgestaltet werden kann. Hierbei verläuft die Diskussion entlang zweier Achsen. Zum einen sind aus dem Nachhaltigkeitsmanagement bekannte Indikatorensysteme auf Ihre Relevanz für die Veranstaltungsbranche hin überprüft worden. In diesem Zusammenhang sind auch bestehende branchenübergreifende Standardisierungen wie der EMAS aber auch branchenspezifische Standards wie der BS 8901 und die sich daran orientierende DIN ISO 20121 in der Diskussion. Hier wird in Frage gestellt, inwieweit ganzheitliche Systeme individuell mit direktem praktischen Nutzen anwendbar sind oder ob nicht die Einzigartigkeit und Eigenständigkeit einer einzelnen Veranstaltung dem Standardisierungsbestreben mit den Notwendigkeiten zur Definition messbarer Einzelgrößen widerspricht.

Die Achse dieser Diskussion verläuft also entlang des Grades der Standardisierung und Formalisierung. In den Extrempositionen stehen sich hier die Interessen im internationalen Wettbewerb stehender Tagungs- und Kongresszentren, den Wirkungsfeldern von Kleinst- und Kleinunternehmen, zumeist regional tätigen Agenturen und veranstaltungstechnischen Dienstleistern gegenüber. Die zweite Achse der aktuellen Diskussion verläuft entlang des Grades der Integration der geplanten Maßnahmen und reicht von einem Verständnis des Nachhaltigkeitsmanagements als ganzheitliches Konzept mit einer strategischen Kommunikationsabsicht für Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern bis hin zu Akteuren, die Einzellösungen wie z.B. nachhaltige, mobile Sanitäranlagen anbieten. Die Diskussionsstränge verlaufen dabei nicht gleichmäßig entlang der beiden Achsen, sondern kristallisieren sich in den Teilbereichen der Veranstaltungswirtschaft mit den Schwerpunktsetzungen, die einen größtmöglichen Nachhaltigkeitseffekt versprechen.

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